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Ich fand schon immer, dass es ein „kaltes Feuer“ in der Kunst gibt. Künstlerische Arbeiten, die zwar im Moment der Begegnung für Berührung, gar Aufruhr sorgen. Doch sobald die Begegnung anfängt, zurückzuliegen, sich zeitlich zu entfernen – sagen wir nach einem Ausstellungsbesuch – verblasst sie, stellt sich Neutralität, ja sogar Langeweile und Bedeutungslosigkeit ein. Das nenne ich das „kalte Feuer“.

Das ist eine interessante Fährte in und zu unserer Wahrnehmung. Unserem Bewusstsein auch. Denn zum Einen ist es so, dass sich ein gutes Kunstwerk zunehmend in der Kommunikation mit 1 Betrachter_In entfaltet. Es blüht – so to speak – auf im Blick, in der Betrachtung. Je üppiger es Material zur Kommunikation mit sich führt, desto mehr ist möglich… doch nichts oder wenig wird aufblühen, wenn der Blick des darauf schauenden Geistes limitiert ist. Und der Geist umschließt ebenfalls das Herz. So mag ein ungebildeter Mensch sehr wohl mit dem Kunstwerk schwingen und es für sich entdecken, wo es evtll. gleichzeitig einem einseitig rationalisierenden, intellektuell aufgeladenen Menschen deutlich verschlossener bleibt.

Es ist – wie so vieles im Leben, wie auch in der Liebe – ein unstrukturiertes Geheimnis, wer, wann, wo anfängt zu kommunizieren, und wie innig diese Kommunikation beschaffen ist.

Es gibt aber ein Phänomen, das die Vorkommnisse etwas zusammenführt… das Phänomen der Erkenntnis. Erkennen – wie es das Wort schon sagt – ist nicht das Finden von etwas Neuem, sondern ein Wiederfinden. Wir könnten nicht erkennen, wenn wir dieses Erkannte nicht schon kennen würden. Es muss mit uns in irgendeiner Form kongruent sein, sonst könnten wir es nicht wahrnehmen. Allein diese Kenntnis stand bis dato nicht zur Verfügung. Somit ist das Erkennen ein Wiederfinden, ein Erinnern. Dies kann sich durchaus mit der Aufregung der Neuheit paaren, meistens ist das auch der Fall.

Das ist erstaunlich. Denn wann und wo hatte man dasjenige schon erworben? Oder deutet es eher darauf hin, dass wir an einen immensen, unerschöpflichen Wissensstrom angeschlossen sind, weil wir im Kern seelisch – also göttlich – sind. Und das ist Wahrheit.

Es gibt noch einen zweiten, nicht weniger geheimnisvollen Umstand, der im Wort selbst zu finden ist: „Erkennen“ entstammt dem angelsächsischen âcennan, welches „gebären, zeugen“ bedeutet.

Hier fließen höchst erstaunlich die verschiedenen Ströme zusammen: Erkennen ich etwas in einem Kunstwerk, dann erkenne ich auch mich. Ich erkenne mich wieder, ich erinnere mich an mich Selbst. Das ist eine Neugeburt, ich bin eine Andere als vorher. Da tut die Sanftheit, die Sachtheit und die Nuanciertheit der Erkenntnis nichts zur Sache, bzw. keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil ist sie Indikator für die Natürlichkeit der Vorgänge. Geburt, Neugeburt findet jeden Augenblick statt, wenn – wir etwas erkennen von uns. Das kann sehr leise und zärtlich sein, nicht immer ist es ein lautes Getöse, eher selten sogar.

Und so ist das kalte Feuer ein Anzeichen für schlechte Kunst: Sie hat mich nicht nachhaltig mit mir selbst in Kontakt gebracht, mich nicht an mich erinnert, sie hat mich nur gereizt.

Denn, und das ist ein weiteres Erkennen: Das zu-sich-selbst-kommen ist auch ein zeitliches Phänomen. Es ist wie jeder Besuch: Es gibt eine Ankunft, ein Verweilen und ein sich wieder entfernen – doch unter anderen Vorzeichen, mit Veränderungen. Mit Prägung, wenn man so will. Prägung, prego!

Bei großer Kunst besuchen wir uns also selbst. Was für ein schöner und heiliger Moment, so habe ich es schon immer empfunden. Kostbar, unwiederbringlich und doch in Fülle. Es zeigt sich besonders im Nachhinein, nach der Begegnung… Wie verhalten sich die Protagonisten nach dem Film-oder Theatergenuss im Geiste? Sind sie neue Freunde geworden? Hat man sie gerne um sich? Ebenso die Formenwelt einer künstlerischen Arbeit.. wie gerne hat man sie um sich und kommt innerlich auf sie zurück? Lachend, weinend, zärtlich, bewegt, gerührt? Bereichert, unterhalten, amüsiert? Gespannt, atemlos, beruhigt?

Du hast mich doch verändert, zu mir geführt. Wie schön das ist, ich freue mich, dass ich dir begegnet bin.

 

 

 

 


english version

THE TIME, THE KNOWLEDGE, THE BIRTH AND THE COLD FIRE

 

 

 

I’ve always found that there is sth like a “cold fire” in art. Artistic works that cause contact, even turmoil, at the moment of encounter. But as soon as the encounter begins to lay behind, to move away in time – let’s say after a visit to an exhibition – it fades, neutrality, even boredom and insignificance sets in. That’s what I call it the “cold fire”.

This is an interesting track in and about our perception. Our consciousness too. Because on the one hand it is the case that a good work of art increasingly unfolds in communication with the viewer. It blossoms – so to speak – in view, in contemplation. The more abundant it carries material for communication with it, the more is possible … but nothing or little will blossom if the gaze of the mind looking at it is limited. And the mind here also encloses the heart. An uneducated person may very well vibrate with the work of art and discover it for him- or herself, where it may at the same time remain significantly more closed to a one-sidedly rationalizing, intellectually charged person.

It is – like so much in life, as well as in love – an unstructured secret who, when and where begins to communicate, and how intimate this communication is.

But there is a phenomenon that brings the occurrences together a little … the phenomenon of ac_knowledging insight. Knowledge – as the german word “erkennen” suggests – is not finding something new, but finding something again. We could not know if we did not already know this known. It has to be congruent with us in some way, otherwise we would not be able to perceive it. Just this knowledge was not available til date. Thus knowing is a finding again, a remembering – recognizing. This can pair with the excitement of novelty, and most of the time it is.

That is amazing. Because when and where had you already attain it? Or does it rather indicate that we are connected to an immense, inexhaustible stream of knowledge, because we are at our core soul – that is, divine. And that is – truth.

There is a second, no less mysterious circumstance that can be found in the word itself: “Knowing” comes from the Anglo-Saxon âcennan, which means “to give birth, to beget”. This is where the various streams converge in a most astonishing manner: If I recognize something in a work of art, then I also recognize myself. I recognize myself again, I remember myself. This is a new birth, I am different from before.

The simplicity, the gentleness and the nuances of the knowledge do not detract from it. On the contrary, it is an indicator of the naturalness of the processes. Birth, new birth takes place every moment when – we recognize something about ourselves. It can be very soft and tender, it is not always a loud roar, rarely even.

And so the cold fire is a sign of bad art: It did not bring me into lasting contact with myself, it did not remind me of myself, it only irritated me.

Because, and that is a further recognition: coming to oneself is also a temporal phenomenon. It’s like every visit: there is an arrival, a lingering and a departure – but under different circumstances, with changes. With embossing, if you will.

So encountering great art we visit ourselves. What a beautiful and sacred moment, I have always felt it. Precious, irretrievable and yet lush.

It is particularly evident in retrospect, after the encounter … How do the protagonists behave in our minds after enjoying the film or theater? Did they become new friends to you? Do you like to have them around you? Likewise the world of forms of an artistic work .. how much do you like to have it around you and come back to it inside? Laughing, crying, tender, moved, touched? Enriched, entertained, amused? Tense, breathless, reassured?

You changed me, brought me to myself. How lovely that is, I’m glad that I met you.