DIE GEHEIME BOX UND DER UNGEWÖHNLICHE SPANNUNGSBOGEN

 

 

Als ich heute Abend, dem Wahlsonntag, aus Neukölln nach Mitte Berlin zurück radelte, musste ich nur einmal an einer Ampel halten, das war in Kreuzberg, an der Gneisenau-, Nähe Blücherstraße. Diese lag hinter mir, so unschmuck, wie unvergessen.

An der Stelle füge ich ein: Wer es versteht, mit dem Universum zu kommunizieren, kann niemals einsam sein.

An der Stelle füge ich ebenso ein: Schönheit ist selbsterklärend.

An der Ampel also komme ich zu stehen in meinem Energiefluss, der eben auch die Fahrradfahrt beinhaltet. Ich blicke auf und sehe das kleine Mädchen. Es kommt von links in die Szene gelaufen und starrt unverwandt auf die kleine Box in Ihren Händen. Die Box ist shimmering pink, ebenso wie die Farbe ihrer Turnschuhe, und bildet einen schönen Kontrast zu ihren schwarzen Haaren und ihrem dunklen Teint. Sie läuft also in mein Blickfeld mit ihrem Dasein, ihrer vornübergebeugten Silhouette, ihren Haaren, die leider vor ihrem Gesicht liegen und ihrer Box, die sie absolut nicht aus ihren Augen lässt. Ich habe selten eine solch innige Verbundenheit gesehen, eine Verbindung, die allein durch ungeteilte Aufmerksamkeit entsteht.

Sie, die ich Klein-Pandora nenne, überquert also vor mir die Straße, starrt in die Box und eilt dem Licht entgegen, dem nächstgelegenen Licht einer Imbissstube und einer Straßenlaterne zur Rechten. Zielstrebig, doch unbewusst eilt sie zum hellsten Ort, um anzuhalten. Spätestens da frage ich mich, was in dem Kistchen ist! Und halte parallel Dialog mit mir, ob ich das Mädchen frage, was es da in den Händen hält. Ich habe Kopfhörer auf, höre Musik, bin in meinem Raum, soll ich ihn verlassen? Mich mit dem ihren verbinden?

Lieber will ich schauen, ob ich ihrer Handlung einen Hinweis auf den Inhalt entlocken kann. Sie hält also an, unentwegt in das Viereck in ihren Händen schauend, ich stelle mir kleine Schildkröten vor, die sie darin trägt. Doch das kann nicht sein, denn sie fängt an, hastig darin zu kramen, als ob sie etwas sucht. Es müssen Dinge sein, die sie mit ihrer Suchbewegung sanft umpflügt.

Da springt meine Ampel auf grün und durchaus in dem Bewusstsein meiner Entscheidung – ich werde nie erfahren, was sie über die Straße getragen hat und wie ihr Gesicht aussieht - fahre ich los und lasse Pandorinchen samt Box hinter mir.

Was bleibt, ist dieses Bild: Ein Abbild. Einer Szene, einer Bühne. Einer Suche, einer Sage, einer Tugend, einer Ungewissheit. Einer entlarvten Lüge:

Weder war das Mädchen aus Lehm, noch war das Übel der Welt in ihrer Verantwortung, sondern im Gegenteil suchte sie selbst etwas und DAS war die Wahrheit, ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Wer etwas anderes behauptet, wende sich an mich, ich kenne mich aus mit Unrecht, mir wurde schon viel angedichtet, ganz besonders von meiner Familie, allen voran von meinen Eltern, und von vielen, die ich für Familie hielt.

Und so, wie die Welt ein Abbild unserer Seele ist, im ewigen Moment ein Polaroid unseres Daseins mit allem, was wir erfahren und erfahren haben, so kann es sein, dass das Leben ein Abbild des Schreckens ist, ganz individuell und ebenso ganz kollektiv.

Dann ist es wohltuend und schön, innezuhalten, das Abbild zum stehen zu bringen und die Mythen sich neu entfalten zu lassen. Ich bringe euch die Wahrheit der Wahl, der innigen Verbundenheit auf Reisen, werdet selbst Gestalt, die ihr lieben könnt. Erlaubt euch, neu zu schauen.