DARK MATTERS

 

 

Da, wo ich gerade bin, ist es stockfinster, aber erst ab Mitternacht, und das erst seit ein paar Tagen. Hier gibt es einen interessanten Zusammenhang zwischen Licht, Dunkelheit und Schutz: Wenn hier nachts kein Licht auf den Straßen ist, dann deshalb, weil man sich die Dunkelheit leisten kann.

Anders als in den sonnenreichsten Gegenden der Welt, in denen die Mittel für nächtliches Licht nicht reichen, ist hier Frieden der Grund für die Dunkelheit. Es kann ausgeschaltet werden für ein paar Stunden, weil es hier absolut keine Kriminalität gibt.

Dies steht im diametralen Verhältnis zu den Sparmaßnahmen, der die mitternächtliche Dunkelheit wahrscheinlich entstammt. Energie wird gespart, weil tradierte Energiegewinnungsarten monopolisiert sind, zur Zeit nahe Europa Krieg geführt wird und viele europäische Verbindungswege davon betroffen sind.

Doch diesen liebevollen Zustand und Gedanken gibt es auch und er entspricht der Realität: Hier, wo ich gerade bin, ist es sicher. Man stelle sich vor. Einfach so. Das nenne ich eine kosmische Balance und die soll man im Auge behalten. Es gibt zu allem eine duale Entsprechung, love it or hate it.

Hier kommt die Dunkelheit aus dem Frieden. Hier also gibt sie mir freundlich Gelegenheit, ihr Licht kennenzulernen. Das ist nämlich, jetzt, im Sommer ganz einzigartig. Wenn die Straßen und Häuser des Minidorfes hier von einer Sekunde auf die nächste ihre Kontur verlieren und gestaltlos im Schwarz versinken. Wenn das Licht der Laternen ausgeht. Wenn ich dabei aus dem Fenster schaue oder hinaus gehe. Ja dann.

Dann halte ich die Dunkelheit aus bis zu dem Moment, in dem das Licht wiederkehrt, jenes außerhalb der Zivilisation, die warm in einigen Fenstern leuchtet.

Dann sehe ich. Ich sehe das unzählige Funkeln der Sterne vor dem tiefstdunklen Grund. Ja, davor, es ist, als ob sie mir entgegenkommen, milliardenfach und gestochen scharf vor dem Schwarz prangen. Sie sind dort, wie ein gigantisches Hologramm. Das Dahinter ist unendlich und nicht ergründlich. Darin zeigt sich eine andere universelle Ebene, eine die Antworten auf eine neue Art gibt. Sie zeigt sich in dem Entzücken der Wahrnehmung, dessen was ist und dem Erkennen: Das, was wir bis zu einem bestimmten Grad für vertraut und selbstverständlich halten, blendet sich in ein neues Niveau, in der es keine eigentliche Dunkelheit gibt. Dort sind Gegensätze aufgehoben und die Dunkelheit ist in Wahrheit. Voller Licht. Wer es versteht, dort hinein zuzuhören, bekommt nicht nur alle Antworten. Auch Angebote und Einladungen samtigster Art, erhebend und erfüllend.

Oder auch schöne Überraschungen. So, wie in der anderen Nacht, als ich aufwachte und aus einer Eingebung heraus das Fenster öffnete, ein wenig in den Nachthimmel blinzelte. Und dann – so plötzlich wie zauberhaft - ein großer Feuerball, der um einen Stern dessen Gleiten erhellte: Ein Komet!

Diese Ereignisse sind von stiller Wucht, sie finden wie in einem parallelen System statt – und sind doch für alle zugänglich. Vielleicht muten mir deshalb immer wieder die in Lichtgewittern von Monitoren erschauernden Fenster so unwirklich an, wenn ich ihrer gewahr werde - etwa bei einem Nachtspaziergang im Vollmondlicht. Da drinnen erlebt ihr was, ich kenne es auch. Und hier, unter freiem Himmel im Licht der Mondin, da finden andere Dinge statt. Die weite Himmelsnacht wolkt im infiniten Formspiel, dass es nur so eine Pracht ist, wie ich an anderer Stelle unlängst betonte. Es es ist schön, wählen zu können. So halte ich es: mal diese, dann die anderen Umstände. Die nächtliche TV-movie-Realität gibt es ja auch noch nicht so lange, auf's Ganze gesehen. Vor der Erfindung des elektrischen Lichts sind die Menschen über hunderte von Jahren nach einigen Stunden Schlaf aufgewacht, sprachen mit Gott oder machten Liebe; wobei beides natürlich in eins fallen kann. Oder sie gingen vor die Tür und unterhielten sich mit den Nachbarn. Dann haben sie noch ein paar Stunden weitergeschlafen und dann konnte der Tag kommen. Eine faszinierende Alternative, der ich aber heutzutage nur bedingt zuspräche als gängigem Rhythmus. Müsste man auch nochmal schauen, welche Menschen in welcher Gesellschaftsordnung sich diesen Rhythmus geleistet haben, wo ich wieder beim Anfang bin: Dunkelheit muss man sich leisten können, Licht aber auch, you know.