english version below
Alles ist Energie. Und Energie geht nicht verloren, sondern wandelt sich, wie wir spätestens seit Albert wissen. Was ist das für eine Energie, die uns Kunst machen lässt? Schon früh hat mich umgehauen, das „Inspiration“ übersetzt „Begeisterung“ heisst und wörtlich „Die Einhauchung (des Geistes)“.
Neulich wurde mir erklärt, was ein „pinky swear“ ist: Ein besonders von Kindern (des angelsächsischen Sprachraums) bevorzugtes Ritual, das einhergeht mit einem abgegebenen Versprechen – zur Bestätigung hakt man sich am kleinen Finger ein und zieht bzw. dreht jeweils ein wenig in die eigene Richtung. Dies ist eine Erinnerung daran, dass bei Nichteinhaltung ernsthafte Konsequenzen anstehen, dass nämlich bei gebrochenem Versprechen ebenfalls der kleine Finger gebrochen wird. Da es keine Kinder-Tribunale gibt, die diese grausamen Vorhaben vollstrecken würden, bleibt es eben ein Gestus mit strenger Konnotation.
Dieses Ritual, ein Versprechen zu besiegeln mit unserem schwächsten Fingerglied (und dessen Gefährdung) berührt mich auf vielfältigste Weise. Es entspricht unserer dualen Kultur in hohem Maße und weist auf einige Komplexität hin.
Und es erinnert mich an die Worte meines letzten Liebhabers, der meine Gefühle für unseren Beziehungsstatus nach einem von ihm geschaffenen Konflikt beschrieb: „Du fühlst, dass wir auseinander gerissen sind, wie zwei Teile und nur noch eine schmale Verbindung haben – wie, wenn unsere kleinen Finger noch ineinander eingehakt sind.“ Das war äußerst zutreffend.
Es ist Verletzlichkeit, die uns zu unserer Empfindsamkeit führt. Und nur in unserer Empfindsamkeit können wir wirklich kraftvolle und tiefe Kunst schaffen. Unsere Verletzlichkeit ist unsere wahre Verbindung zu unserer Schöpferkraft. Denn in Wahrheit ist Empfindsamkeit eine Form der Kommunikation – auf Ebenen und mit Verhältnissen, die den Nicht-Empfindsamen verschlossen bleiben.
Ich hatte schon früh die Auffassung, dass alle Künstler:Innen per se spirituell sind, auch wenn sie es nicht wissen oder sogar nichts davon halten. Wahre Künstler:Innen wissen, dass sie Ideen und eben Inspiration empfangen – aus einer Quelle. Diese Quelle mögen sie in sich oder außerhalb verorten, doch es gibt ein „dort drüben“, „oben“ – eben einen anderen Raum, aus dem etwas zu ihnen fließt. Sie erzeugen es nicht, sie lassen es zu. Spirit. Spirituell.
Das ist ganz klar ein Phänomen des weiblichen Prinzips in uns. Wir lassen eine Idee, – manchmal nur eine Ahnung – zu, und gehen mit ihr um… verfolgen sie, treffen uns mit ihr, führen Dialog… noch mehr Dialog… bis es ein Bild, ein Text, ein Buch, ein Stück, ein was-auch-immer geworden ist.
Sigmar Polke hat das in einem seiner berühmtesten Bilder sehr schön benannt: „Höhere Wesen befahlen: Rechte obere Ecke schwarz malen!“ Seine von ihm als Spott angelegte Ironie enthält in sich den Keim der gegenteiligen Lesart, nämlich, dass es einfach wahr ist. Da kommt auch der Egomane in ihm nicht gegen an, denn sein unbestechliches Gespür für Kunst lässt es ihn entsprechend offen formulieren… sonst wäre es nicht das brilliante Kunstwerk, das es ist.
Im Spott spricht auch das kollektive patriarchale Programm: Empfindsamkeit, Spiritualität, Seele, darf nicht sein. Zu unwägbar, zu wenig beweisbar, nicht kontrollierbar UND: Zu zart, zu sensibel, zu verletzlich. Als würden wir ohne oder eben nicht als Seele leben, als ob das wirklich eine ernstzunehmende Realität sei.
Denn das ist das erklärte Prinzip toxischer Männlichkeit: Keine Verletzlichkeit oder nur mit Grausamkeit gepaart, kein echtes Wagnis der Gefühle, keine Empfindsamkeit, kein Spiel, keine Zartheit und damit auch keine Zärtlichkeit. Oder nur in kontrollierter Form.
An dieser Stelle: Let`s talk Picasso. Ein wunderbarer, einmaliger Künstler, wie ich an anderer Stelle schon ausführlich verlautbaren ließ. Doch hier soll es einmal um seine toxische Männlichkeit, seinen Narzissmus gehen, aber nur kurz, weil das Thema so unbekömmlich ist.
Picasso nämlich war ein subtiles, nicht so subtiles Vorbild einer neuen, männlichen Künstlergeneration, die – wie eben auch Polke – noch tief verstrickt war in Autoritätenkonflikte und auf die ein‘ oder andere – oft unbekömmliche – Weise nach Überlegenheit und Macht strebten. Diese aus der Kriegs- und Nazizeit stammende Ausgangssituation kollidierte auf das Interessanteste mit flower power, neuer Konsumlust und einer sich selbst sprengenden Ausdrucksvielfalt der Kunst der frühen sechziger- bis zur new economy Bewegung der neunziger Jahre. Irgendwo dazwischen fand die eigene Verortung statt und die fand nirgends so recht Halt. Außer in bekannten patriarchalen Strukturen und die hatte Picasso nunmal auf’s Beste bedient.
Denn was vor allem männliche Künstler der folgenden Generationen an ihm bewunderten, war sein privater Umgang mit Macht und Geld und die Ich-Stärke, die er nach Außen darüber kommunizierte. Seinen scheinbaren Mangel an Selbstzweifel und seine schlaue Macho_attitude. Dass es dem Narzissten ganz leicht fiel, ausschließlich an sich zu denken, Menschen auszubeuten, zu benutzen und zu verraten, statt sie zu lieben, das kam niemand in den Sinn, es war schlicht nicht bekannt. Erst später entzerrten einige Biografien von Familienmitgliedern und andere Enthüllungen das offizielle Picasso-Bild.
Und so wurde seine Egomanie mit der irrigen Annahme untermauert, dass er seine Liebe eben ausschließlich in der künstlerischen Arbeit zeige und das war Berechtigung und Aufruf für Viele, es ihm nachzutun und sich ungeniert als „assholes“ zu gerieren. Ein narzisstisches role model so to speak. Ich hingegen sage: Mehr Hingabe in der Liebe hätte auch seinem Werk sehr gut getan. Aber dazu ein andermal.
In diesen Parametern jedenfalls hat die eigene Schwäche, haben Wunden, aber auch Liebe, Zärtlichkeit, Nachsicht, Entgegenkommen, Fairness; Ausgleich und Harmonie keinen oder wenig Platz. Und so führten viele Künstler der Folgegenerationen ein emotionales Doppelleben: Sie gründeten Partnerschaften und Familien und huldigten dennoch heimlich oder nicht so heimlich dem Obermacho und hatten ihn als Vorbild im Nacken – alles für die Kunst, der Rest kommt später oder wird geopfert. Das führte zu Zwiespältigkeiten im Selbstbild. Ein männlicher Künstler, der liebt, geliebt wird und daraus seine Kraft schöpft – wie populär ist das? Not very, aber es ändert sich gerade.
Und da setzt der pinky swear an: Macht bedeutet ja auch Sicherheit. Um die Einhaltung eines Versprechens sicher zu stellen, wird mit Gewalt gedroht, Druck ausgeübt. Das ist die patriarchale Maßnahme, um Sicherheit zu schaffen. Das Gegenmodell ist Vertauen und Sog: Klar hältst du dein Versprechen, du hast ja LUST dazu. Du genießt deine Selbstverpflichtung, denn sie ist gar keine Pflicht mehr, sondern Freude. „Wenn Treue Spaß macht, ist es Liebe.“ wie Julie Andrews schon wunderbar zu sagen wusste.
Thats’s the turning point. Denn dann wird alles, was vorher mühsam, vertraghaft und Druck war, auf einmal leicht und zum Vergnügen. Diese Frequenz des Vergnügens fußt auf Leichtigkeit und auf Anziehung, sie hat nichts mit ernster Schwere zu tun. Es wird weder geklotzt, noch gekleckert, es wird einfach zugelassen, fließen gelassen. Was ich liebe, was ich mag, da will ich hin, oder lade es ein, hole es zu mir, ob es ein Mensch ist, ein Kinobesuch, ein gutes Dinner, you name it. That simple.
Und so ist es wie mit den fürchterlich langen links, die man manchmal kopiert und versendet, um jemandem etwas nahe zu bringen. Sie nehmen zuweilen mehr Raum ein, als etwa das Bild selbst, auf das sie beispielsweise verweisen. Ist es nicht überhaupt in sich magisch, dass uns eine Aneinanderreihung von Buchstaben und anderen Zeichen zu einem neuen Zeichenkomplex führt, dass wir Bild nennen? Dieser link – diese Verbindung – kann sehr lang und umständlich sein und viel Platz einnehmen. Doch seit wir wissen, wie man die Sache abkürzt, ist das Leben leichtgewichtiger – right?
english version
Everything is energy. And energy is never lost, but transformed, as we know since Albert at least.
What kind of energy is creating art? The first time I became aware I was blown away by the fact that “inspiration” literally means „spirit enters by breathing“ and in german is translated with „Begeisterung“ which means „enthusiasm“.
I was recently told what a “pinky swear” is: a ritual especially preferred by children (of the Anglo-Saxon language area) that goes hand in hand with a promise made – to confirm, you hook your little fingers and pull or turn them a bit in your own direction. This is a reminder that non-compliance can result in serious consequences, namely that if a promise is broken, the little finger will be broken as well. Since there are no children’s tribunals that would carry out these cruel concepts, it remains a gesture with a rigorous connotation.
This ritual of sealing a promise with our weakest finger joint (and its endangerment) touches me in many different ways. It corresponds to our dual culture to a large extent and indicates some complexity.
And it reminds me of the words of my last lover, who described my feelings for our relationship status after a conflict he created: „You feel that we are torn apart, like two parts and only have a narrow connection – as if our pinkies are still hooked together.“ That was extremely accurate.
It is this vulnerability that leads us to our sensitivity. And only in our sensitivity can we create really powerful and deep art. Our vulnerability is our true connection to our creativity. Because in truth, sensitivity is a form of communication – on levels and with reality data that remain inaccessible to the non-sensitive.
I had the opinion early on that all artists are spiritual per se, even if they don’t know it or even don’t think much of it. True artists know that they receive ideas and inspiration – from a source. We may locate this source inside or outside of ourselves, but there is an “over there”, “above” – just another space from which something flows to us. We don’t produce it, we allow it. Spirit. Spiritually.
This is clearly a phenomenon of the feminine principle in us. We allow an idea – sometimes just a hunch, an intuitiveness – and deal with it … pursue it, meet with it, maintain a dialogue … even more dialogue … until it is a picture, a text, a book, a piece… you name it!
Sigmar Polke worded this very nicely in one of his most famous pictures: „Higher beings ordered: Paint the upper right corner black!“ His irony, which he used as a mockery, contains the germ of the opposite read, namely that it is simply true. The egomaniac in him didn’t come up against that either, because his incorruptible feeling for art allows him to formulate it accordingly open and unattached … otherwise it would not be the brilliant work of art that it is.
It is the part of the collective patriarchal program that speaks derisive and sarcastic about sensitivity, about spirituality and soul. It denies the soul’s right to exist: too imponderable, not adequately proven, not controllable AND: too delicate, too sensitive, too vulnerable. As if we would live without or not as a soul, as if this was really a reality to be taken seriously.
Because that is the declared principle of toxic masculinity: No vulnerability or only paired with cruelty, no real risk of feelings, no sensitivity, no play, no delicateness and therefore no tenderness. Or only in a controlled manner.
At this point: Let’s talk Picasso. A wonderful, unique artist, as I have already stated in detail elsewhere. But this is supposed to be about his toxic masculinity, his narcissism, yet only briefly because the subject is so indigestible.
Picasso was a subtle, not so subtle role model for a new, male generation of artists who – like Polke – were still deeply entangled in conflicts of authority and striving in one way or another for superiority and power. This initial situation, which dates back to the war and Nazi era, collided in the most interesting way with flower power, new consumerism and a self-exploding variety of expressions in art from the early sixties to the new economy movement of the nineties. Somewhere in between the own situatedness was about to find and nowhere was it really prepared and guaranteed. Except in well-known patriarchal structures, which Picasso had served the best.
Because what especially male artists of the following generations admired about him was his private handling of power and money and the ego strength that he communicated by this to the outside world. That it was very easy for the narcissist to only think of himself all the time, to exploit, use and betray people instead of loving them, nobody would think of, it was simply not known. It was only later that some biographies of family members and other revelations rectified the official Picasso image.
And so his distorted egomania was underpinned with the erroneous assumption that he shows his love exclusively in his artistic work and that was justification and a call for many to imitate him and to act unabashedly as „assholes“. After their narcissistic role mode so to speak.
I, on the other hand, say: more devotion in love would have done Picassos work very well. But about that another time.
In any case, in these parameters one’s own weaknesses, wounds, but also love, tenderness, forbearance, accommodating, fairness; balance and harmony have no or little space. And so many artists of the following generations led an emotional double life: They founded partnerships and families and still secretly or not so secretly paid homage to the big macho and had him as a role model – everything for art, the rest comes later or is sacrificed.
This led to ambiguities in the self-image. A male artist who loves, is loved and draws his strength from it – how popular is that? Not very, but it’s changing currently.
And that’s where the pinky swear comes in: power means security as well. In order to ensure that the promise is kept, violence is threatened and pressure is exerted. That is the patriarchal measure to create security. The opposite model is trust and pull, undertow: Of course you keep your promise, you feel LUST to do it. You enjoy your self-commitment, because it is no longer a duty, but a joy. „If fidelity is fun, it is love,“ as Julie Andrews worded it so brilliant.
That’s the turning point. Because then everything that was previously laborious, contractual and pressure will suddenly become easy and enjoyable. This frequency of pleasure is based on lightness and attraction; it has nothing to do with serious heaviness. It is neither forced into any fake „big“ way nor into false modesty, it is simply allowed to flow, in any form welcomed. What I love, what I like, there I want to go, or I invite it, bring it to me, whether it is a person, a visit to the cinema, a good dinner, you name it. That simple.
And so it is like with the terribly long links that you sometimes copy to bring something close to someone. At times they take up more space than the image they refer to, in case. Isn’t it actually magical that a string of letters and other signs leads us to a new complex of signs that we call a picture? This link – this connection – can be very long, cumbersome and take up a lot of space. But now that we know how to cut it short, life has become lighter – right?